Bundesfinanzhof übt massive Kritik am Steuerrecht

Grenze der Verfassungsmäßigkeit:

Dass das deutsche Steuerrecht in vielen Fällen an die Grenze der
Verfassungsmäßigkeit stößt, ist allgemein bekannt. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hat darüber lange geschwiegen – jetzt hat er die Initiative
ergriffen und dem Bundesverfassungsgericht sowie auch dem Europäischen
Gerichtshof diverse Grenzfälle vorgelegt. Es geht hier vor allem um
Maßnahmen aus der Koch/Steinbrück-Liste. Hier hatte das
Bundesverfassungsgericht bereits 2009 entschieden, dass der
Vermittlungsausschuss im Gesetzgebungsverfahren seine Kompetenzen
überschritten hätte.

Beispiel Biersteuer:

Etwas exotisch mutet der Vorlagebeschluss zur Erhöhung der Biersteuer
an (Beschluss vom 15. 2. 2011, Az VII R 44/09): Der Bundesfinanzhof
prangert hier die in dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 beschlossene Kappung
diverser Steuervorteile der Kleinbrauereien an. Diese Maßnahme stand u.a.
auf der Streichliste Koch/Steinbrück. Mit dieser Vorlage gerät das ganze
Haushaltsbegleitgesetz vermutlich ins Wanken.

Grunderwerbsteuer/Umsatzbesteuerung:

Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist meistens der
Kaufpreis. Das ist legitim und daran rüttelt der BFH auch nicht. In
bestimmten Fällen aber fällt auf Grundstücksübertragungen eine Steuer an,
obwohl es tatsächlich gar nicht zu einer Veräußerung kommt. Dies ist z.B.
bei Unternehmensumwandlungen der Fall. Gibt es keinen Kaufpreis, wird die
Grunderwerbsteuer nach den so genannten – unzutreffenden – Bedarfswerten
ermittelt, die die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 zugrunde legen. Das
BVerfG hat diese Werte bereits für Zwecke der Erbschaftsteuer verworfen.
Mit der Vorlage wird das BVerfG erneut Gelegenheit bekommen, sich mit
dieser Thematik zu beschäftigen (Beschluss vom 2. 3. 2011, II R 23/10).
Vorlage drei – diesmal an den Europäischen Gerichtshof – zeigt die
Willkürlichkeit der Umsatzbesteuerung auf. Es geht um
Pflegedienstleistungen, die in einem Fall steuerfrei und in einem anderen
Fall steuerpflichtig sind (Beschluss vom 2.3.2011, XI R 47/07).

Stand: 12. Mai 2011